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«Schäbyschigg» mit ihrem neuen Album «Retroschpektivä».

Bild.zVg

Volksmusik

Viermal Blech und einmal Holz

Der Bündner Köbi Gantenbein ist als leidenschaftlicher Musiker in der zeitgenössischen Volksmusik zu Hause. Für FRIDA verpackt er seine Passion regelmässig in Kolumnen. Diesmal über das neue Album von «Schäbyschigg».

Von Köbi Gantenbein

Fläsch, 12.10.2022

3 min

Schäbyschigg – falsch, wer meint, das sei ein neues Wort aus der Agglosprache, oder vielleicht bald richtig, denn die Worte werden ja fantasievoll und auf unergründlichen Wegen erfunden, warum nicht einmal anstatt von einem Rapper von einer Blasmusik-Kapelle? Das Wort stünde dann vielleicht für ein Lebensgefühl im Hier und Jetzt.

Noch aber gibt sich eine Kapelle diesen Namen – Klarinette (David Jud), zwei Trompeten (Guillermo Casillas und Fabian Jud), Basstrompete (Jérôme Müller), Tuba und Akkordeon (Tobi Zwyer) und Chorgesang (alle). Und gewiss haben die fünf Musikanten heiter Freude am Wortklang und seiner Bedeutung «schäbiger Schick», denn schäbig heisst ja abgestanden, verstaubt und verlottert, in unserer Zeit aber entsteht auch daraus ein Schick, eine ästhetische Form, die Altes mit Neuem virtuos poliert. 

Die Fünf musizieren wie einst die Musikanten im Zirkus, die aus ihren Heimaten in Osteuropa alle möglichen Klänge mitbrachten und sie, nachdem sie das Zelt aufgestellt und die Raubtiere gefüttert hatten, in Generaluniformen zum Seiltanz der Zirkusprinzessin halsbrecherischer Art spielten, einheimische Klänge und Schlagermelodien dazufügend. 

Auf den Spuren der Vergangenheit

Grosse Freude, blindes Vertrauen eines jeden in das Können des anderen, damit daraus Musik werde, alle Fünf zusammen, in kleiner Formation, als Solisten. Blechmusik hat in Bayern, Tirol oder Kraina grosse Tradition als Tanzmusik, in der Schweiz hatte sie das in der nebligen Linthebene zwischen dem Zürichsee und dem Glarnerland. Und so haben auch die Fünf ein Bein in jener Region – als «Schänner Fünfermusig» waren sie unterwegs, die Tanzstückli der schon lange verblichenen Lokalmatadoren wieder spielend. Als «Schäbyschigg» wirbeln sie nun durch die Tonräume – zur Polka kommt der hektische Punk, zur Mazurka verträumte Blue Notes. Und das «Herbstwetter», das in Schänis noch fürs Säli gerüstet worden ist, wird nun zu einem dramatischen Musikgemälde, in den die fünf Virtuosen ihr Programm von der Oberkrainer Blas- über die Zirkus- bis zur wirbelnden Konzertmusik einpacken. 

«Retroschpektivä» nennen sie ihr Album denn auch, Vergangenes aufspürend und konzertant veredelnd, was einmal Gradaustanzmusik war. Elf Stückli – von virtuoser Blasmusik über seltsamen Sprechgesang zum Zustand der Welt bis zum Trompetencho. Blasmusik ist die mit Abstand am meisten geübte und gefeierte Musik – fast 80 000 Menschen spielen sie in über zweitausend Vereinen in der Blechhochburg Schweiz und feuern sich in legendären Bandbattles an Bezirks-, Kantons- und Nationalen Festen an. Es gibt viele Könnerinnen und Könner in dieser Musikwelt der Amateure, es ist erstaunlich, dass es wenige gibt, die in kleinen Formationen wie «Schäbyschigg» musizieren und aus vier Blechen und einem Holz durch die Tonwelten tanzen. 

 

 

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