Über dem Dorf Mels ist Stoffelberg und schaut hinüber auf das Schloss Sargans. Über viele Jahrzehnte war hier die Fabrik des Textilherren Stoffel mit der Öffnerei, Spinnerei, Weberei, Färberei in grossen, langen Häusern, mit zahlreichen Nebenbauten, der Fabrikantenvilla und auch einem eigenen Kraftwerk – eine Kleinstadt der Arbeit, in der bis zu 600 Arbeiterinnen und Arbeiter arbeiteten.
In den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts fiel sie brach, die Arbeitsplätze verschwanden; nun ist aus dem nicht mehr gebrauchten Stoffelberg ein grosses Ensemble mit Eigentums- und Mietwohnungen und Geschäftsräumen geworden. Aus drei Gründen ist diese Überbauung bemerkenswert.
Erstens: Brauchen, was da ist
Wir sind in der Klimanot. Viele von uns tun trotzdem die Augen zu und den Fuss aufs Gaspedal. Ich bin zwar sicher, dass wir Sünderinnen und Sünder im Alltag durch besseres Leben etwas beitragen werden, damit die Klimanot nicht gar so heftig werde. Die wirksamen Hebel aber hocken in den Strukturen und Systemen. So im Bau Schweiz. Gut 40 Prozent der Klimalasten trägt er.
Hier setzten die Architekten des Melser Stoffelberges, Michael Meier und Marius Hug, mit all den Bauleuten an:
«Brich nur ab, was nötig ist und richte Dich ein, in dem, was Du hast.»
Auch wenn ich die Tonnagen nicht kenne – es ist imposant, wie viele tausende Tonnen Material auf dem Stoffelberg gespart worden sind, indem die grundlegenden Strukturen belassen wurden, die die Riesenhäuser tragen. Andersherum – jede Sekunde wird in der Schweiz eine halbe Tonne Bau abgebrochen. Drei Viertel aller Abfälle stiftet allein die Bauwirtschaft. Den weitaus grössten Teil der grauen Energie gehen darum auf ihr Konto.
Dieses grosse Vorhaben von Mels hält dagegen, weil hier nicht im Kleinklein, sondern im grossen Massstab die Bauherren und ihre Architekten und Ingenieure zeigen: Struktursparen geht! Freilich wollen wir in die Vernunftrechnung auch aufnehmen, dass 50 000 Tonnen Material neu dazu gebaut worden ist, damit der Stoffelberg all den zeitgenössischen Komforterwartungen genügen kann. So sind zu den in die zwei alten Fabrikgebäude eingebauten 115 Wohnungen, zwei grosse Volumen für 135 neue Wohnungen entstanden.
Zweitens: Die Geschichte
Wir aber sind Weltmeister geworden im Ex und Hopp nicht nur von Material, sondern auch von mit ihm verbundener Geschichte. Doch die Spuren der Geschichte sind gute Geländer, um uns in der komplizierten Welt zurecht zu finden. Es ist schön, mit welchem Aufwand im Grossen, aber auch in vielen Details der Stoffelberg die Spuren des Ortes mitnimmt in seine neue Zeit: Alte Stützen aus Gusseisen, raumhohe Fensterlöcher, Materialspuren und die grossen Aussen- und Zwischenräume.