Banner «Alpodrom Festival», 28. und 31. Juli 2022, JungfrauPark Interlaken.

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Techno

Alpodrom: Das neue Schweizer Festival für elektronische Musik und Kunst

Festivals gibt es in allen Variationen. Gross und klein, kommerziell, unkommerziell, verschieden in der Musik, die gespielt wird, Rap- oder Metalfestival. Dann gibt es Festivals, die gar nichts mit Musik zu tun haben, Filmfestivals, und solche, an denen unterschiedliche Kunstformen sich überlappen oder nebeneinander stattfinden. Das «Alpodrom Festival» gehört der letzten Kategorie an. Ein Festival, das sich der Interdisziplinarität verschrieben hat.

Von Valerio Meuli

Interlaken, 14.06.2022

8 min

Natürlich gibt es auch beim Alpodrom eine Stossrichtung, einen roten Faden. Das ist die elektronische Musik, die Clubmusik, die während den Festivaltagen zu hören sein wird. Wer hier schon unterteilen möchte, der oder die kann das. Denn Clubmusik und elektronische Musik sind grosse Begriffe, hinter denen verschiedene Stilrichtungen und kreative Strömungen stecken, die jeweils ihre eigenen Geschichten haben. So wird es am Alpodrom unter anderem Breakbeat, House und Techno zu hören geben, wie Jenny Cara erzählt, selbst DJ und fürs Booking am Festival zuständig. «Es gibt vier Bühnen, zwei Tages-, zwei Nachtbühnen», sagt sie weiter. Die Musik werde dann den jeweiligen Stimmungen angepasst werden. So werde in der Nacht härterer Sound gespielt werden als während der Tage. Zusätzlich gebe es noch einige Spezialbühnen.

Künstlerische Subversion

Und wer bespielt die Bühnen? «Wir haben einige internationale Acts», sagt Cara, «zum Beispiel Gabrielle Kwarteng. Vor allem spielen jedoch Leute aus der Schweiz. Es ist uns wichtig, Vernetzungsmöglichkeiten zu geben und überkantonal zu denken. Dass also neue Synergien entstehen.»

Wer die Verschiedenheit nicht nur innerhalb der Musik sucht, auch der oder die wird am Alpodrom fündig werden. Lena Pfäffli, Teil des Organisationskollektivs und fürs Künstlerische zuständig, sagt: «Im künstlerischen Bereich setzen wir auf Interdisziplinarität. Wir arbeiten unter anderem mit Theaterschaffenden, bildenden Künstler:innen und Performancekünstler:innen zusammen.» 

Einen Punkt streicht Pfäffli heraus, wenn sie über das künstlerische Konzept des Festivals spricht: die Subversion. Darunter versteht Pfäffli nicht ein vages politisch klingendes Label, sondern sie denkt konkret: «Wir wollen kontext- und ortsabhängig arbeiten.» 

Was bedeutet dies? «Einerseits wollen wir die künstlerischen Arbeiten nicht als unabhängige Programmpunkte des Festivals festmachen.» So sollen zum Beispiel künstlerische Interventionen, Performances auf den Dancefloors des Festivals stattfinden. Das Ziel sei es, die Musik, die Kunst und den Clubraum, in dem alles stattfinde, zu verweben. Es handelt sich also um die Verbindung von verschiedenen Kunstformen und elektronischer Musik, um die Ebenen und Kontexte, die überlappen, wenn Pfäffli von Subversion spricht.

Ansicht des JuungfrauPark in Interlaken.

Eine Location mit zweifelhafter Geschichte

Herauszufinden, was das Organisationsteam meint, wenn es von ortsspezifischer Arbeit spricht, ist nicht schwierig. Denn der Ort, an dem das Festival stattfindet ist – in einer ersten, unreflektierten Betrachtung – spektakulär. Zarina Friedli, die im Alpodrom fürs Organisatorische und Gastronomische zuständig ist, beschreibt die Festival-Location so: «Ein lustiger 90er-Bau, brachial, abgespacet.»

Es handelt sich dabei um einen ausrangierten Freizeitpark in der Nähe von Interlaken, der heute nur noch als Eventlocation vermietet wird – unter anderem fürs Alpodrom. Wer im Internet nach dem Park sucht, findet Drohnenfotos. Darauf zu sehen: eine riesige, kreisförmig angeordnete Anlage. In der Mitte ein runder Flachbau, auf dessen Dach ein kugelartiger Turm, der aussieht wie ein Flughafentower. Um den Rundbau herum sind kleinere Gebäude angeordnet, alle haben sie voneinander verschiedene Formen, Höhen und Farben. Diese kleineren Gebäude, zumindest einige von ihnen, inspirieren die Festivalorganisator:innen zur ortsspezifischen Auseinandersetzung.

Wer das Drohnenbild genau betrachtet, sieht, dass da zum Beispiel eine Nachbildung einer ägyptischen Pyramide steht. Gleich daneben: eine Nachbildung eines Tempels, wie sie von den Mayas gebaut wurden. 

Die Problematik liegt auf der Hand. Um es ohne akademische Fachbegriffe auszudrücken: Bei den Gebäuden des Freizeitparks, der früher «Mysterypark» hiess, handelt es sich um einen fragwürdigen Umgang mit Objekten und Formen anderer Kulturen. Wer sich ein wenig mit der Geschichte des Parks auseinandersetzt, findet diesen Eindruck bestätigt – und stösst schnell einmal auf Erich von Däniken. Der Verschwörungstheoretiker und Autor von Büchern wie «Was ist falsch im Maya-Land» oder «Der jüngste Tag hat längst begonnen – die Messiaserwartung und die Ausserirdischen» hat den «Mysterypark» von 2003 bis 2006 betrieben, ging dann aber Konkurs. Heute heisst das Gelände JungfrauPark.

Friedli betont: «Das Denken von Dänikens ist hier immer noch präsent, lässt sich an den Gebäuden ablesen.» Deshalb sei es dem Organisationsteam wichtig, die Geschichte des Ortes mitzudenken, in der Vorbereitung, wie auch an den Festivaltagen selbst. 

Wie geht man um, mit dem Wissen, dass man an einem vorbelasteten Ort ein Festival organisiert, das für sich in Anspruch nimmt, für möglichst viele verschiedene Menschen offen zu sein?

«Das Wichtigste ist eine transparente Kommunikation», sagt Friedli. Auf der Webseite des Festivals wird die Problematik aufgearbeitet und gezeigt, dass man sich ihr bewusst ist. Man sei unter anderem auch deshalb auf diesen Ort gestossen, so Friedli, weil man am ursprünglichen Ort, einem Industrieareal im Kanton Glarus, eine kurzfristige Absage bekommen habe. «Ausserdem hat der Ort Potenzial. Zum Neubespielen,  für eine neue Auseinandersetzung.» 

Der JungFrau Park in Interlaken, Location des Alpodrom Festival 2022. Bild: Patrick Metzger.

Der JungFrau Park in Interlaken, Location des Alpodrom Festival 2022. Bild: Patrick Metzger.

Ein Ort für kritische Auseinandersetzung

Lena Pfäffli zeigt auf, was eine Neubespielung fürs künstlerische Programm bedeuten könnte. Es solle gezeigt werden, sagt sie, dass ein Clubraum, oder eben ein Festival für elektronische Musik, Ort kritischen Denkens sein könne. Auf die Frage, ob das Festival ein politisches Festival sei, überlegt sie kurz und verneint dann. «Jedoch ist es eine künstlerisch-politische Herangehensweise, die wir ausüben wollen.» Diese drücke sich auch im Lineup des Festivals aus. Bookerin Cara sagt: «Diversität war mir beim Anfragen der Künstlerinnen und Künstler sehr wichtig.» So sei es – im Hinblick auf das Geschlecht der auftretenden Künstler:innen – ein ausgewogenes Programm. Eine Möglichkeit also, den Ort, an dem der Von-Däniken-Geist noch herumirrt, mit neuen Werten zu bespielen.

«Alpodrom Festival», 28. und 31. Juli, JungfrauPark Interlaken.

Das «Alpodrom-Festival» und das FRIDA- Magazin verbindet eine gemeinsame Geschichte.

Luis Balzer, Co-Gründer und Art-Director des Magazins, ist seit Beginn im Festival-Komitee. Nach zweimaligem, Pandemie-bedingtem Aufschub und intensiver Suche nach einem geeigneten Ort findet nun die erste Ausgabe statt. Den Namen hat das Festival von einem Projekt der anderen beiden Ko-Gründer des FRIDA-Magazins übernommen. Unter dem Namen «Alpodrom» betrieben Brigitte und Mathias Balzer in den 1990iger-Jahren ein Tournee-Theater mit Lastwagenbühne, später mit Zirkuszelt. Der Name steht aber auch für eine Serie der frühesten Techno-Parties in Graubünden, die das Theater jeweils in der Winterpause in Chur veranstaltete. (mb)