Theater könnten beim Thema nachhaltiges Wirtschaften eine Vorreiterrolle einnehmen, heisst es auf der Webseite von Reflector, sie seien «durch ihre positive Ausstrahlungskraft und ihre hohe Kompetenz als Storyteller» ideale Multiplikatoren, «um innovative Ansätze einem breiten Publikum zugänglich zu machen».
Reflector, bestehend aus Marine Besnard, Kulturmanagerin und Choreografin, und Nachhaltigkeitsexpertin Martina Wyrsch, möchte Theaterbetriebe dazu befähigen, ihre Praxis ökologisch nachhaltiger zu gestalten. Reflector wird dabei – wie das Austauschprogramm x-change – gefördert von m2act des Migros-Kulturprozent in Zusammenarbeit mit dem Migros-Pionierfonds.
Schon seit zehn Jahren ein Thema
Der Gedanke, dass auch die Theater einen Beitrag zum nachhaltigeren Wirtschaften leisten, schwirrt schon lange durch die Luft. Lange Jahre aber hatte er kaum Folgen. Bereits 2014 veranstaltete das Schweizer Theatertreffen eine Gesprächsrunde unter dem Titel «Nachhaltigkeit im Theater? Wie gross ist unser Fussabdruck?» im Theater Winterthur. Dort sprach auch Annett Baumast, die 2009 ihre Abschlussarbeit zum Thema «Umweltmanagement im Theater» verfasste und sich seither mit dem Thema beschäftigt.
Doch noch 2019, in einem Interview mit der Fachzeitschrift «theater management aktuell», attestierte sie den deutschsprachigen Theatern Nachholbedarf. Baumast fasst den Begriff Nachhaltigkeit auch ökonomisch und sozial. «Eine nachhaltig ausgerichtete Produktion sollte die ökologischen Ressourcen schonen, ein faires, inklusives und gesundes Arbeitsverhältnis bieten, mit den finanziellen Ressourcen pfleglich umgehen und sich an den Grundlagen einer guten Unternehmensführung (‹good governance›) orientieren», sagt sie.
Das Thema ist unter dieser Prämisse so umfassend, dass sich dieser Artikel auf die ökologische Dimension beschränken möchte. Allerdings sieht Baumast eine deutliche Grenze für das nachhaltige Wirtschaften:
«Bei den künstlerischen Inhalten darf es keine Kompromisse und keine Vorschriften von aussen geben.»
Aber sie fordert auch dort Kreativität und ein kritisches Bewusstsein: «Muss der Wassergraben auf der Bühne wirklich 60 Zentimeter tief sein oder reichen auch 40?»
Die Zukunft ist Secondhand
Doch vor allem hinter den Kulissen kann noch viel passieren – und ist auch schon viel passiert. Ein PDF-Dokument von Reflector listet die Antworten einer Umfrage unter Theatern auf, welche Massnahmen sie bereits ergreifen, um ihren Betrieb ökologisch nachhaltig zu gestalten.
Viele Häuser setzen auf Secondhand und nutzen vermehrt auch für neue Produktionen den Kostüm- und Requisitenfundus. In der Kantine werden Glas, Geschirr und Mehrwegflaschen eingesetzt, und Mitarbeitende und Gäste werden in Reglementen angehalten, für Reisen bis zu neun Stunden öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Programme und Flyer auf Papier werden reduziert oder eingestellt, Programmhefte gibt es nur noch elektronisch, Abfall wird systematisch getrennt, und LED-Lampen ersetzen alte Glühbirnen.
Dazu kommen umfassendere Investitionen, wenn etwa Heizung, Lüftung und Licht saniert und «optimiert» werden. Nur zwei Theater sagen, sie würden in einer Ökobilanz ihre tatsächlichen Ausstösse erfassen. Den Bemühungen sind Grenzen gesetzt, weil es oft schwierig ist, alle Faktoren zu erfassen und zu gewichten. «Wir versuchen Produktionen nicht zu programmieren, die auf irgendeiner Weise animal cruelty vermitteln oder sichtbar Unmengen von Material verschleudern», schreibt ein Theater und fügt gleich hinzu: «Das ist aber schwierig zu beurteilen.»