Gigi im Interview mit Shannon Hughes bei FRIDA Hört Hin

«Ich bin ohne Vater aufgewachsen. Und das ist okay». Ein Track auf der neuen EP von Gigi handelt von ihrem abwesenden Vater.

Bild: Selaine Sax

Musik

Gigi räumt Steine aus dem Weg

Shannon Hughes im Gespräch mit der Bündner Rapperin Gigi über Female Empowerment, ihr Debüt «Herzkopf» und warum sie für ihre Nachfolgerinnen «Platz schaufeln» will.

Von Shannon Hughes

Basel, 10.05.2023

6 min

Das «GR Chick mit e biz Züri» Gigi (sie/ihr) ist in Maienfeld im Heidiland aufgewachsen, lebt aber inzwischen in Zürich. Ihr Sound ist im harten Rap angelegt, und sie macht Ansagen, die sitzen. Gigi hat sich bewusst dazu entschieden, auf Bündnerdeutsch zu rappen, weil ihr darin mehr Ausdrucksmöglichkeiten offen stehen. Sie mischt aber auch immer wieder englische Elemente in ihre Songs. 

Innerhalb der letzten drei Jahre hat sie einige Singles und Features veröffentlicht. Darunter auch den Track «Toxic» mit der Musikerin und SRF-Virus-Host Cachita.

Anfang 2023 wurde bekannt gegeben, dass Gigi beim Label Physical Shock unterzeichnet hat:

«Dass ich die Jungs kennengelernt habe, bedeutet mir die Welt».

Bald darauf erschien auch die EP «Herzkopf», mit der sie in sechs stilistisch diversen Tracks ein feuriges Rap-Debüt lieferte.

Beim SRF Bounce Cypher 2022, dem grössten Schweizer Live-Rap-Event, an dem sich über 80 der besten Schweizer Rapper:innen messen, hatte Gigi ihren ersten grossen Auftritt in der Schweizer Rapszene. Damit hat sie sich einen Namen gemacht.

2023 war die Rapperin wieder mit viel Power und mehr Erfahrungen am Start und lieferte zum legendären Beat von «The Real Slim Shady» vom US-Amerikanischen Rapper Eminem ihre Lines ab. 

FRIDA Hört Hin Audiobeiträge mit Shannon Hughes

FRIDA Hört Hin

«FRIDA Hört Hin» ist dein Ohr für aktuelle Schweizer Musik. Die Szene ist dynamisch, divers und darf ruhig etwas lauter gehört werden. In der Audiobeitragsreihe porträtiert Shannon Hughes Musikschaffende und ihre Songs aus allen Genres. Von altbekannten Grössen bis hin zu aufstrebenden Neuentdeckungen, bei FRIDA sind alle zu hören. 

Alle Episoden von «FRIDA Hört Hin» findest Du auch auf Spotify, Deezer, Apple Podcast und Podimo.

Bild: John Patrick Walder/ Luis Balzer

Kampf gegen die Vorwürfe

Nach dem Cypher wurde ihr von einigen Rapfans im Netz vorgeworfen, der Dietikoner Rapper Xen hätte ihre Texte verfasst. Solche Vorwürfe beweisen das Misstrauen gegenüber jungen, erfolgreichen Newcomer:innen in der Szene – es braucht einige Feuerproben, um sich da zu beweisen. 

Im Interview bestätigt Gigi, ihren Text selbst geschrieben zu haben, auch wenn sie schmunzelnd hinzufügt, dass es ihr eh keiner glaube.

Gemeinsame Tracks

Mit Xen verbindet Gigi nebst dem Label Physical Shock auch zwei Features. Gemeinsam haben sie für die SRF Serie «Enter the Circle» die Neuinterpretation «Vieles Ain’t Shit» des 1992 erschienenen, frauenfeindlichen Tracks «Bitches Ain’t Shit» von Dr. Dre kreiert. 

Darin wird der im Hip-Hop geläufige Begriff bitch kritisch beleuchtet, aber auch für die Szene in einem ermächtigten Sinn wiederverwendet. Xen ist auch auf Gigis Debüt-EP «Herzkopf» im Track «Gs from the Block» dabei. Einer der spannendsten Tracks der EP, weil gerade die Dynamik zwischen Gigis und Xens Rap-Stilen überzeugt. Harter Strassenrap trifft auf weibliche Ermächtigung.

 

 

«Herzkopf» wurde durch eine Reihe bekannter Künstler:innen beeinflusst. Gigi nennt die US-amerikanischen Musiker:innen Kendrick Lamar und Ariana Grande. Sie findet es spannend, aus diversen Musikrichtungen etwas für ihren Sound mitzunehmen. «Schlussendlich sind wir alle irgendwie Kopien», sagt sie – und das ist nicht schlecht. In einer Rap-Welt, in der bisher negativ konnotierte Begriffe positiv wiederverwendet werden und gerade jetzt immer mehr neue Identitäten zum Ausdruck gebracht werden, sollte ein musikalischer Austausch hörbar sein.

Musiker:innen existieren nicht in einem Vakuum. Sie sollen untereinander und zum Publikum sprechen können. Gerade beim Song «Bella Donna», bei dem es um die weibliche Perspektive auf das männerdominierte Rap-Game geht, sollen sich laut Gigi alle Hörer:innen ermächtigt fühlen – egal, welchem Geschlecht sie sich zuordnen.

Ein sehr persönliches Musikvideo

«Ich bin ohne Vater aufgewachsen. Und das ist okay», erzählt Gigi nach der ersten Hälfte ihres Sets beim BScene Festival in Basel. Ihre Grossmutter, Mutter und Schwester bildeten in ihrer Jugend ihr Umfeld.

Dem abwesenden Vater hat sie das Lied «Old Enough» geschrieben. In der Spannung zwischen Stärke und Verletzlichkeit erzählt der Track von den persönlichen Auswirkungen einer solchen Familiengeschichte: Verlust, Albträume, Misstrauen. Aber auch die Möglichkeit, aus der Kunst Kraft zu schöpfen.

Beim bewegenden Musikvideo setzte die Künstlerin auf Persönliches. Gigis Schwester tanzt darin und am Ende werden die eigenen Zeichnungen aus der Kindheit verbrannt. Auch live zeigt der Song nicht nur beim Publikum seine Wirkung: «Das ist der erste Auftritt, bei dem ich bei diesem Lied nicht weine», sagt die Rapperin bei der Show am BScene Festival.

 

 

Gigi möchte in der Szene eine neue Ära der Viefalt einläuten. Zurzeit gibt es einige aktive FINTA* Rapper:innen, wie SGB, KT Gorique und Soukey. Sie alle bringen Bewegung in die bisherigen Strukturen.

Gender-Stereotype werden in bissigen Texten zu Boden geschmettert, Verletzlichkeit gefeiert. Und der Auftritt, der bleibt deswegen trotzdem draufgängerisch. Gigi sagt klar, sie wolle nicht nur gebucht werden, weil sie sich als Frau identifiziert.

Ihr Talent soll im Fokus stehen. Dennoch gibt sie zu, dass es für mehr Diversität auf den Schweizer Musikbühnen noch Zeit und Förderung braucht. Dazu will sie schon jetzt mit allem, was sie im Rap erreicht, für alle nach ihr «Platz schaufeln».

Was Gigi ansagt, kommt an. Das zeigt sich in der Fülle ihrer Liveauftritte, die für 2023 anstehen: 

12.05.23 Disentis Indoor Festival

02.06.23 Lion Hood Festival Wil 

10.06.23 Openair Oberrieden

08.07.23 Openair Frauenfeld

14.07.23 Kulturfestival St. Gallen

22.07.23 Spex Festival Bern

19.08.23 Royal Arena Festival Biel

09.09.23 Kultur im Ort Bad Ragaz

18.11.23 Rap City Hallenstadion Zürich