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Das neue Schulhaus in Davos Platz mit einer mattgrünen Holzfassade samt Solaranlage. Der Architekt Marc Ritz stülpt ein grosses hölzernes «U» auf das bestehende Haus und schafft es so, ihm eine Zukunft zu geben, ohne alles abbrechen zu müssen.

Zeichnungen/Pläne: Marc Ritz

Architektur

Werdendes Schulhaus in Davos

Beim Wettbewerb für das neue Schulhaus in Davos hat ein junger Architekt gewonnen, der auf «weiterbauen» statt abreissen und neu bauen setzt. Der Entscheid der Jury zeigt, dass klimavernünftiges Bauen Zukunft hat.

Von Köbi Gantenbein

Davos, 26.10.2022

5 min

Heute will ich auf werdende, nicht auf fertige Architektur hinweisen, auf ein Schulhaus für Davos. Gesucht hat die Gemeinde eine Erweiterung ihrer grossen Schulanlage in Davos. Platz für  Aufenthalts-, Ess- und Arbeitsräume für die Tagesschule und um Räume für die «Talentschule», eine Schule, wo in Sport oder Musik besonders begabte Kinder nebst dem ABC in ihrer Leidenschaft gefördert werden. 

Was macht die Allerweltsaufgabe mehrfach bemerkenswert? Gewiss, der Wettbewerb. Offen hat ihn die Gemeinde ausgeschrieben, was heisst, dass alle Architektinnen und Architekten über das Dorf, den Kanton Graubünden, ja die Schweiz hinaus mitmachen konnten. Hiess das noch vor fünf Jahren, dass die Jury 200 Eingaben zu beurteilen hatte, so waren es in Davos 31. Andersherum – den Architekten geht es zurzeit gut. Sie brauchen das Arbeitsbeschaffungswerkzeug «Wettbewerb» weniger als auch schon. Es gibt alle Hände voll zu tun, sodass sich ein Büro den Lohnaufwand für die Arbeit im Wert von gut und gerne 60’000 Franken am Talent- und Wettspiel «Wettbewerb» spart. 

Ein Problem – viele Antworten

Gewonnen – und das ist für den anonymen Architekturwettbewerb immer wieder schön – gewonnen hat Marc Ritz, ein junger Architekt aus Darmstadt. Es spricht für den Zustand und die Zuversicht der Architektur, wenn ein Anfänger renommierte und alte Hasen aussticht. Und wenn ein Architekt aus der Fremde im nach wie vor auf den Ort und seine Beziehungen ruhenden Bau- und Architekturgeschäft mithalten kann. Der Schulhausbau wird das Erstlingswerk von Marc Ritz werden.

Bemerkenswert ist – und ein weiterer Vorteil des Verfahrens Wettbewerb – wie 31-mal anders die Architektinnen und Architekten die Aufgabe beantwortet haben. Hat ein Problem in der Physik oder der Chemie meist eine richtige Lösung, hat ein architektonisches Problem viele. Ähnlich ist allen die Ernsthaftigkeit und die liebenswerte Zuwendung für schöne Lernräume und -landschaften. Verschieden sind die Abfolgen der Räume, die Art, wie das Haus im Gelände steht, die Konstruktion und die Ausstattung und auch die zu erwartenden Kosten.

All diese Differenzen gewichtend hat eine Jury aus Fachleuten der Baukunst, der Pädagogik und der Politik der Gemeinde schliesslich einen Vorschlag gemacht, welches Projekt das schönste und beste ist – ein Werturteil, geschöpft aus einem Diskurs, nicht aus einer Vermessung von Zahlen. 

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Das bestehende Schulhaus – der Mitteltrakt der Schulanlage Davos Platz – ist zu klein für die Aufgaben der zeitgenössischen Schule.

Zeichnungen/Pläne: Marc Ritz

Bemerkenswert für das Resultat dieses Wettbewerbs ist aber vor allem, wie nun langsam eine alte Weisheit des Bauens in der neuen Architektur ankommt, ja sogar einen Architekturwettbewerb bestimmt: Über Jahrhunderte war es Sitte, Brauch – und vor allem wirtschaftliche Notwendigkeit – das einmal Gebaute um- und weiterzubauen.

Klimavernunft statt Ex und Hopp

Das gilt in weiten Teilen der Welt freilich noch heute. Hierzulande ist es mit dem Aufkommen der rasant sich entwickelnden Bauindustrie im letzten Jahrhundert üblich geworden, Häuser, die noch lange dienen könnten, abzureissen und für veränderte Aufgaben neu zu bauen, auch wenn das Alte noch nützlich gewesen wäre. Die Klimaverunft legt nun nahe: Wir müssen aufhören, unsere Häuser am laufenden Band abzubrechen und auf die Tabula rasa neue zu türmen. Es ist sozial- und klimavernünftig, den Bestand zu prüfen und ihn fantasievoll und gescheit um- und auszubauen. Darauf muss sich auch die Buchhaltungskunst einrichten; sie gibt dem Ex, Hopp und Neu einen noch viel zu günstigen Preis.

Es spricht Bände, dass es oft kostengünstiger ist, einen betonierten Bestand abzubrechen und zu entsorgen als ihn für ein neues Haus zu brauchen. Ressourcen, Energie und Klimalast kosten viel zu wenig. 

Entgegen steht der Klimavernunft auch das Können und Wollen der Architekten. Für Davos, wo das Wettbewerbsprogramm das Weiterbauen des Bestandes ermöglicht, wenn auch nicht gefordert hat, haben 29 von 31 Architekten sich für Ex und Hopp entschieden. Und nur zwei waren vorne dabei in der Zeitgenossenschaft. Freilich antwortet das siegreiche Projekt des jungen Architekten aus Darmstadt elegant und gut auf all die pädagogischen, atmosphärischen, ökonomischen und hauswartlichen Pflichten eines Schulhauses.

Marc Ritz hat die Jury mit einem guten, schönen und nützlichen Haus für die Kinder, Lehrerinnen und Lehrer und für die Davoser Steuerzahler überzeugt. Aber er zeigt überdies, wie eine junge Generation Baukünstler aus der Not der Zeit imstande ist, Architektur zu schöpfen, die auf Klimavernunft setzt: Weiterbauen statt Ex und Hopp.  

2022, Schulhaus für die Schulanlage Davos Platz

Bauherr: Gemeinde Davos

Architekt: Marc Ritz, Darmstadt

Verfahren: Offener Wettbewerb gemäss der Wegleitung SIA 142/143