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Interview

Wie haben Sie’s mit der Kultur, Herr Glättli?

Wenn er wütend ist, hört er ein Gitarrensolo von Bill Frisell. Für kulturelle Veranstaltungen hat er momentan zu wenig Zeit, Balthasar Glättli von den Grünen in der Umfrage zum Kulturbegriff.

Von Helena Krauser

Zürich, 20.09.2023

3 min

Wenn Sie eine Parteifeier organisieren müssten: Welche kulturellen Programmpunkte würden Sie einbauen? Was darf nicht fehlen?

Balthasar Glättli: Wir hatten am Fest der Grünen Schweiz zum 40ten Geburtstag sowohl ein Konzert der jurassischen Band Caroussel als auch zwei Comedy Auftritte in deutsch und französisch von Renato Kaiser und Simon Romang organisiert. Es braucht auf jeden Fall Musik an einem Fest.

Im aktuellen Entwurf zur Kulturbotschaft 2025–2028 ist nicht von «Kulturjournalismus» allerdings von der «Berücksichtigung von neuen digitalen und hybriden Formaten der Produktion, Verbreitung und Vermittlung» die Rede. Würden sie eine explizite Aufnahme des Kulturjournalismus in die Kulturbotschaft begrüssen?

Ja. Kultur und die Kulturschaffenden leben davon, nicht einfach im stillen Kämmerchen zu bleiben.

Und Kulturschaffende brauchen auch kompetente Einordnung und Kritik.

Zu diesem Dialog und zur Vernetzung zwischen Zivilgesellschaft und Kulturwelt leistet der Kulturjournalismus einen unerlässlichen Beitrag.

Brauchen wir überhaupt so viel Kultur? Sollten Kulturschaffende angesichts des Fachkräftemangels nicht besser Pfleger:innen oder Handwerker:innen werden?

Kultur ist etwas ganz spezifisch Menschliches. Sie spiegelt gesellschaftliche Debatten wider, sie bietet Reibungsflächen zur Auseinandersetzung mit der Realität, sie weist aber auch über das alltägliche Geschehen hinaus und eröffnet neue Denk- und Möglichkeitsräume. So ist Kultur Ausdruck des menschlichen Daseins. Gerade in einer von Krisen geprägten Zeit braucht es Kultur, um sich mit den Geschehnissen auf einer anderen Ebene als der direkten Betroffenheit oder den Medienberichten auseinanderzusetzen.

Dem Fachkräftemangel in diversen Berufssparten soll mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie einer gezielten staatlichen Förderung der Ausbildung und der Umschulung Abhilfe geschaffen werden.

Welche kulturelle Veranstaltung haben Sie zuletzt besucht? Was hat Ihnen dabei nicht so gut gefallen?

Momentan finde ich im Wahlkampf-Endspurt, kaum Zeit für kulturelle Veranstaltung.

Dafür versuche ich mir, wenn der Tag einmal nicht allzu hektisch ist, etwas Zeit für Lektüre oder fürs Musikhören zu nehmen. Viel zu wenig komme ich dazu, selbst Geige zu spielen.

Was war Ihr letzter Kulturtipp, von dem Sie Freunden und Bekannten erzählten?

Ein Kulturtipp, den ich von unserer grünen Generalsekretärin erhalten hatte: die aktuelle Ausstellung «Natur. Und wir?» im Stapferhaus Lenzburg. Einen Besuch wert!

Hatten Sie schon mal einen Kulturschock? (Im In- oder Ausland)

Ich mag mich an keinen erinnern…

Sind Sie eher der Typ Mensch, der gerne in der Menge tanzt oder lieber ein Konzert im Sitzen geniesst?

Je nach Stimmung. Ich tanze gerne auch mal wild in der Menge – kann aber auch ein Konzert geniessen. Beides momentan leider zu selten.

Was halten Sie von Menschen, die behaupten, dass sie keine Zeit für kulturelle Aktivitäten haben?

Ich hoffe, sie hätten – gleich wie ich – andere Phasen im Leben hinter und vor sich mit mehr Zeit für kulturelle Aktivitäten.

Welche Musik hören Sie, wenn Sie wütend sind?

Ein Gitarren-Solo von Bill Frisell.

Das beruhigt mich und versöhnt mich mit mir selbst.

Womit lagen Sie zuletzt falsch?

Ich dachte noch vor einem Jahr, dass künstliche Intelligenzen (wie Midjourney) erst in ein zwei Jahren brauchbare fotorealistische Bilder oder gute Illustrationen erzeugen könnten, die kaum oder gar nicht von menschlichen Fotos und Illustrationen unterscheidbar sind. Und heute sind wir eigentlich fast schon dort.