Die Wiederentdeckung der Kunst
2010, Durrieu war 30, starb ihre Mutter an Krebs. «Sie war Französin, aber ein Teil ihre Familie stammte aus Italien, und sie hat immer von diesem Land geschwärmt. Dort sei sie frei und glücklich gewesen und habe sich zum ersten Mal verliebt.» Nach einem kafkaesken bürokratischen Hürdenlauf hat die Tochter die Asche der Mutter zurück an den Lago di Mergozzo gebracht, ein kleiner See nahe des Lago Maggiore, wo sie auch Verwandte der Mutter kennenlernte.
«Gleichzeitig mit dem Tod meiner Mutter ging eine Beziehung in die Brüche», erzählt Durrieu. Beides habe sie emotional total destabilisiert. «Ich hatte eine totale Sinnkrise und das wirklich physische Bedürfnis, mich zu erden, meine Hände buchstäblich in die Erde zu stecken. Deshalb fing ich an, Keramikkurse zu nehmen.»
An diesen Kursen lernte sie eine Malerin kennen. Mit der Zeit fing sie wieder an mit Kunst, besuchte Workshops, unternahm erste Gehversuche als Performerin und Installationskünstlerin, nahm an Gruppenausstellungen teil. «Dennoch brauchte ich mehrere Jahre, um mir einzugestehen, dass ich wieder mit der Kunst begonnen hatte», sagt Durrieu. Sprache, Design, Körper und Körperpolitik, Skulptur und Performance, Ratio und Unbewusstes – plötzlich begannen sich Dinge ineinander zu fügen, die zuvor unzusammenhängend gewesen waren.
Kulturschock in der Schweiz
Mit der gelungenen Erdung keimte auch der Wunsch, Argentinien für eine Zeit zu verlassen. «Ein Freund riet mir, mich in Basel an der Hochschule für Kunst und Gestaltung zu bewerben. Und plötzlich lief das alles wie am Schnürchen», erzählt Durrieu. «Ich erinnere mich noch, dass ich beim telefonischen Bewerbungsgespräch einen schweren Kater hatte und wohl nicht sehr eloquent gesprochen habe.» Sie lacht. «Trotzdem wurde ich aufgenommen.» 2018 begann sie in Basel ihr Studium.
Und wie war es, in die Schweiz zu ziehen? «Ein Kulturschock, anfangs war die Ruhe hier ohrenbetäubend! Argentinier sind Meister der Spontanität, die Schweizer Weltmeister in Organisation. Aber ich habe mittlerweile gelernt, dass in dieser Ordnung auch gewisse Freiheiten liegen.» Wenn sie nun wieder für vier Monate nach Buenos Aires reise, mache sie das nervös, weil die Rückkehr emotional immer sehr intensiv sei. An zwei Orten zu leben, bringe das mit sich. «Plötzlich ist das, was früher normal war, fremd, und umgekehrt. Ich habe gelernt, dass alle Dinge mindestens eine zweite Seite haben.»
Und sie hat gelernt, sich auf dem Schweizer Kunstparkett zu bewegen. Nach verschiedenen Auftritten und Ausstellungen und vor allem nach der Auszeichnung mit dem Art Award 2022 kann sie mittlerweile als selbstständig erwerbende Künstlerin in der Schweiz arbeiten.