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Die Basler Band WAS DAS? rappt über Party, Graskonsum, innerer Versehrtheit und politischer Kritik.

© Léon Bricola

Musik

Sieben Köpfe, sieben Perspektiven

Die Basler Rapper von der Band «WAS DAS?» füllen mit ihrer Musik Hallen. Obwohl sie von Raptraditionen inspiriert sind, lassen sie sich nicht gerne schubladisieren, erklären sie im Gespräch. Am Freitag tritt die Gruppe mit Sibylle Berg an der «BuchBasel» auf.

Von Valerio Meuli

Basel, 16.11.2022

6 min

Eine Lehre für den Journalisten: Versuche nie wieder, sechs Leute gleichzeitig zu interviewen. Ansonsten geschieht … erst einmal nichts. Man spricht und unterhält sich, fährt einander ins Wort oder ufert aus. Die Schwierigkeiten kommen erst, wenn du zu Hause am Computer sitzt und versuchst, aus den Aufzeichnungen einen Text zu machen. Du hast nun sechs Stimmen, die du unterbringen musst. Ein kleiner Einschub: Wenn hier von sechs Stimmen und im Titel von sieben Köpfen gesprochen wird, ist dies kein Schreibfehler. Der siebte Kopf, der beim Gespräch nicht anwesend war, ist Léon Bricola, visueller Gestalter der Band und verantwortlich für Videoproduktionen. 

Zurück zu den sechs Musikern. Wie windet sich der Journalist heraus?

Mit szenischen Beschreibungen natürlich.

Ein Kellerstudio in der Markgräflerstrasse im Kleinbasel. Vom Erdgeschoss zwei Treppen hinunter, einem langen Gang entlang. Schliesslich tut sich ein Raum auf, ausgekleidet mit leeren Eierkartons, Schaumstoff und Teppichen. Instrumente stehen herum. WAS DAS? teilen sich den Proberaum mit einer Perkussionistin – die sie allerdings noch kaum gesehen haben. Die jungen Rapper haben den Raum erst vor Kurzem bezogen.

Das Licht ist hell, viele Glühbirnen hängen lose von der Decke herunter. Da dieser Proberaum ein Proberaum wie jeder andere ist, erschöpfen sich die Beschreibungen jedoch ziemlich schnell. Der Journalist ist erneut mit seinem Problem konfrontiert: Wie ein Porträt schreiben über eine Musikgruppe, die aus sieben Individuen besteht? 

Drum herumreden hilft nichts, also, ohne Umschweife zu den Protagonisten.

WAS DAS?, das sind die Rapper Reyan.Rami, DiMiTRi, Smeshi, Znvg, MC Eichel und der Produzent Ludwig. Seit sieben Jahren machen sie zusammen Musik, zuerst eher lose und in Freestylesessions, dann spielten sie immer mehr Konzerte und veröffentlichten. Das neuste Album heisst «Allegro Larghetto» und ist 2021 erschienen. WAS DAS?› Sound ist eine Mischung von tanzbarer und nachdenklicher Musik, von lauten und leisen Stimmen. Aus der musikalischen Diversität entsteht auch eine inhaltliche: Gerappt wird gleichzeitig von Party, Graskonsum, innerer Versehrtheit und politischer Kritik.

 

Wer solche Themen miteinander verbindet, der vollbringt einen Spagat – so liesse sich die Musik von WAS DAS? mit einer nicht klischéefreien Formulierung beschreiben. Doch gehen wir einen Schritt weiter und fragen: Woher kommt diese Musik? 

Von Oldschoolrap zum Waldhorn

Wahrscheinlich vor allen Dingen aus Basel. Hier hat die Gruppe Erfolg, hier spielt sie ausverkaufte Konzerte, etwa in der Kaserne. Fragt man nach den Inspirationsquellen der Musiker, ist die Sache nicht mehr so eindeutig. Von Oldschoolrappern wie Nas ist die Rede oder von Rappern, die die alte Schule wieder aufleben lassen, etwa Griselda.

Dann werden andere Stilrichtungen genannt, MC Eichel zählt neben dem Deutschrapper OG Keemo, Eric Clapton und Cat Stevens als Inspirationsquelle. Smeshi sagt, er habe früher viel deutschen Rap gehört, höre heute jedoch lieber Pop. Der überraschendste Name kommt von Produzent Ludwig: «Rachmaninoff ist mir wichtig.» Auch Reyan.Rami sagt, er sei von klassischer Musik beeinflusst, er habe Waldhorn gespielt. 

Eine Diskussion entflammt, als Ludwig beteuert, Blumentopf, eine deutsche Rapgruppe der Nullerjahre, sei für ihn wichtig.

Diese Musik sei doch quatsch, wird ihm entgegengeworfen.

Das Gespräch ist da angelangt, wo man eigentlich nicht ankommen wollte: Bei der Frage, was denn nun der richtige Rap sei. Jede Rapperin, jeder Rapper muss sich dieser Frage stellen. In keiner Musikrichtung ist der Szenengedanke so stark verankert, in keiner wird man so schnell des Fremdgehens bezichtigt. 

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Die sieben Köpfe von WAS DAS?

© Léon Bricola

Keine Lust auf Einengung

Doch Erwartungen werden nicht nur von der Rapszene selbst auf die Musiker:innen projiziert, sondern auch von «aussen». Komischerweise geschieht dies oftmals in einer Umkehrung: Du musst nicht mehr beweisen, dass du echte(r) Rapper:in bist, sondern, dass du den «gängigen Rapklischées» eben nicht entsprichst. So schreibt auch die BuchBasel zum kommenden Auftritt von WAS DAS?, diese zeigten, «dass Rap längst nicht mehr Kopfnicken und Bro-Battle sein muss.» Vergessen wird bei solchen Aussagen, dass sie einerseits selbst zum Klischée geworden sind und – andererseits – dass Rap in seiner Urform oft politischer Protest war, nicht unbedingt männliches Statusgehabe. «Jedoch wurden auch im politischen Rap oft diskriminierende Begriffe benutzt», wendet MC Eichel ein. 

Diese Aussage steht sinnbildlich für WAS DAS?. Man ist sich der Raptradition mit deren Unterkategorien, mit deren Szenengedanken, und ja, auch der sexistischen Sprache bewusst – und distanziert sich davon. Aus politischen, wie auch aus künstlerischen Gründen. «Wir machen einfach andere Musik als viele andere», sagt Ludwig. 

 

 

Im Gespräch wird klar: WAS DAS? besteht aus sieben verschiedenen Charakteren, die jeweils ein eigenes musikalisches Verständnis haben. Und doch gibt es einen gemeinsamen Nenner: die Freude am Rap, das Texten, der gegenseitige Ansporn. So nennt dann auch Znvg keinen grossen Namen als Inspirationsquelle, sondern seine Mitmusiker.

Auftritt mit Sibylle Berg

Weg von Rapreflexionen und Inspirationsquellen. WAS DAS? spielen diesen Freitag live, und dies an einer Buchmesse. Sie treten zusammen mit einer der bekanntesten deutschen Gegenwartsautori:nnen auf, Sibylle Berg. Bei der Probe im Bandraum stellt man sich ganz praktische Fragen, etwa, ob das Publikum sitzen wird, was für ein Outfit man selbst trägt (einen Anzug oder eben gerade nicht), ob man tanzt auf der Bühne. Die Frage, ob die Buchmesse ein Ort ist für ein Rapkonzert, stellen sich die sieben nicht, sie freuen sich darauf. «Wir wurden für das gebucht, was wir sind», sagt Rapper Smeshi, «wir können mit Selbstvertrauen spielen.» Die letzte Unklarheit: Die Rapper wissen noch nicht, was Sibylle Berg von ihnen möchte, die einzige Vorgabe war: Spielt fünf Songs, einen dieser Songs wünschte sich Berg selbst: «Troubadix». Es ist Bergs WAS DAS?-Lieblingssong.