Die zweite Form des Architekturwettbewerbs ist die Schönheitskonkurrenz. Sie gibt ein Thema vor und eine Jury sucht aus dem Bestand den bestgelungenen Bau. Als Lohn gibt es Aufmerksamkeit, den Jurybericht mit Lobesworten, oft eine Preisfeier und ab und zu eine Ausstellung. Das alles als Visitenkarte: «Schaut her, Bauherren, diese Architekten kann man brauchen.»
Von Ljubljana bis Nizza
Ein solcher Wettbewerb ist Constructive Alps. Die Eidgenossenschaft und das Fürstentum Liechtenstein führen ihn alle zwei, drei Jahre durch. Er hebt leuchtende Beispiele für klimavernünftiges Bauen aufs Tablett aus Ländern, die zur Alpenkonvention gehören – also im Bogen von Ljubljana bis Nizza sind.
Seine Absicht ist neben dem Lohn der Architektinnen und Architekten mit einem Preisgeld von 50’000 Euro, die Reklametrommel für die gute Sache zu rühren: «Schaut her, Bauherrschaften und Architekten, so geht es, wenn ihr einen Beitrag leisten wollt, um die Klimalast des Bauens zu vermindern und dennoch Schönheit zu bauen!»
Quer durch die Alpen bewerben sich jedes Mal zwischen 300 und 400 Bauten. In den zwölf Jahren ist so eine opulente Sammlung von Beispielen des klimavernünftigen, schönen Bauens und Sanierens zusammengekommen. Sie kann in meinem Buch «Bauen in den Alpen» besichtigt und studiert werden. Auch eine Website und Podcasts geben gut Auskunft.
Im guten Fall nun hängen beide Wettbewerbsarten miteinander zusammen: So hat Constructive Alps 2022 das neue Schulhaus von Azmoos ausgezeichnet. Andersherum: Der Gewinn 2022 kann die Jury und die Bauherrschaft von 2015 bestärken: «Gut entschieden, Azmooser. Eure Architekten haben das Versprechen eingelöst. Sie haben einen Leuchtturm gebaut.» Und die Architektin und Architekten konnten ihren Stolz zweimal feiern.
Baukunst für die Klimavernunft
An ihrem Haus können wir auch die Entwicklung von Constructive Alps und damit vom klimavernünftigen Bauen in den Alpen ablesen: Die Baukunst hat der Klimavernunft Formen geschenkt. Galt vor einem Dutzend Jahren, bei der ersten Ausschreibung, vorab der Energiekennzahl hohe Achtung, und die Architektur hatte sich ihr zu fügen, so sehen wir in Azmoos den Gewinn der Schönheit.
Das Haus zeigt den Stand der Dinge, wie technisches Können und gestalterische Entscheide entspannt und elegant aufeinander bezogen werden können. Und wie mit Gestaltung – Platzierung des Hauses, sorgsam mit der Landschaft, Umgang mit Tageslicht, Wahl der Materialien, Konstruktion – viel Klimagüte erreicht werden kann, ohne dass dafür ein umfangreicher Maschinenpark fürs Heizen, Lüften und Beleuchten aufgefahren werden muss.
Der Architekturwettbewerb – ob als Entwurf oder die Schönheit des gewordenen Baus würdigend – ist immer auch ein Teil in der Theorie der Architektur, denn zu Sitte und Brauch gehört jeweils mit angemessenem Pathos der Bericht der Jury. Robert Mair, der Sprecher der achtköpfigen Jury von Constructive Alps, herkommend aus allen Alpenländern, fasste denn auch an der Preisfeier im Alpinen Museum von Bern neulich zusammen:
«Das Schulhaus von Azmoos ist ein würdiges Werk der gegenwärtigen Baukunst! Wie kein anderes Projekt aus den Eingaben 2022 vereint es alle Dimensionen der Nachhaltigkeit – sowohl wissenschaftlich als auch emotional. Es wurde berechnet und geprüft. Das Projekt hat uns in seinen Bann gezogen mit seiner äusseren Zurückhaltung und der inneren Schönheit voll von natürlichem Licht und Schatten, von Geborgenheit und dennoch von räumlicher Vielfalt. Überzeugt hat uns auch die städtebauliche Setzung, die trotz Vergrösserung des neuen Bauvolumens die Freiflächen für Sport und Zusammenkunft mit dem schönen Baumbestand erhält.»