Ramun Spescha: 1961 – 2022

Ramun Spescha: 1961 – 2022

Nachruf

Ein Grafiker und Gestalter der alten Schule

Ramun Spescha, Bündner Grafiker, Buchgestalter und lieber alter Freund, ist mit sechzig Jahren von uns gegangen.

Von Mathias Balzer

Chur, 27.04.2022

4 min

«Das Leben ist ein dunkles Fest», hat der Schweizer Schriftsteller Gerhard Meier einmal geschrieben. Und tatsächlich treffen Leben und Tod manchmal in irritierender, oder vielleicht auch auf wundersame Weise, aufeinander. Am Dienstag noch wurde in St. Gallen das letzte Buch, das Ramun Spescha gestaltet hat, erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Er selbst konnte die Publikation mit dem Titel «Warum Journalismus besser ist als Jesus» schon nicht mehr in die Hände nehmen. Ramun Spescha ist am 28. April in Chur gestorben.

1961 in Ems geboren, als dritter von vier Söhnen, wuchs er in einem Elternhaus auf, wo Kunst und Literatur zum Alltag gehörten. Ramuns Vater, Hendri Spescha, war Lehrer, Politiker, Dichter, Theaterautor, Kämpfer für die romanische Sprache und Mitbegründer des romanischen Fernsehens. Hendris Bruder, Matias Spescha, war einer der bedeutendsten Schweizer Künstler seiner Generation. 

Marc Spescha, der älteste Bruder von Ramun, hat sich durch sein Engagement als Anwalt und seine Publikationen zum Schweizerischen Migrationsrecht Reputation geschaffen. Bruder Flurin, im Jahr 2000 bereits viel zu früh verstorben, war ein schweizweit bekannter Schriftsteller, politisch engagierter Zeitgenosse und Förderer der romanischen Schriftsprache Rumantsch Grischun. Der jüngste Bruder Gieri ist ein bedeutender Touristiker und Geschäftsführer der Marke Graubünden.

Ramun hat mit der Bündner Journalistin Diana Joerg Anfang der Neunzigerjahre selbst eine Familie gegründet. Mit ihrem Sohn Nicola lebte und arbeitete das Paar in Chur, von 2000 bis 2010 in Zürich und dann wieder in der Hauptstadt Graubündens.

Ein passionierter Typograf und Gestalter

Ramun hat sein Handwerk, die Typografie, von der Pike auf erlernt, indem er in Chur eine Lehre als Schriftsetzer gemacht hat. Kurz danach gründete er sein eigenes Grafik-Büro, die ersten Jahre gemeinsam mit dem Bündner Kommunikationsspezialisten Reto Sommerau, ab Mitte Neunzigerjahre als Einzelfirma mit dem Namen Spescha Visual Design. Zwischen den Anfängen bis heute liegen rund vierzig Jahre Arbeit, geprägt von ständigen technischen Erneuerungen, vom Bleisatz bis zum Webdesign unserer Tage. 

Speschas Büro wurde bereits Ende der 1980er-Jahre zur Anlaufstelle zahlreicher Kulturschaffender. Seine Affinität zur Kunst, Literatur und Musik, gepaart mit handwerklicher Präzision, hohem ästhetischem Anspruch und kreativem Geist, machten ihn zum wichtigen Ansprechpartner für unzählige Publikationsprojekte. In den Neunzigerjahren gründete er mit Bruder Flurin den heute noch bestehenden Verlag Edescha Art, der sich im Laufe der Jahre vor allem auf Kunstbücher spezialisiert hat. 

Für Ramun stand immer ausser Frage, dass kulturelle Projekte auch Engagement bedeuten, nicht zuletzt finanzielles. So manches Buch oder Plakat wäre ohne seinen «Kulturrabatt» gar nie erschienen. Und der passionierte Typograf machte, was Präzision und Sorgfalt anbelangt, auch nie einen Unterschied zwischen kommerziell einträglichen und kulturellen Herzensprojekten. 

Logos und Schriftzüge von Kulturorten und -institutionen wie der «Palace»-Bar und dem Gast- und Kulturhaus Marsoel in Chur, dem Bündner Kunstmuseum, dem Kulturzentrum in Nairs, der Bibliothek in St. Moritz, von Cultura en Lumnezia, der Chasa Editura Rumantscha oder der Chesa Planta in Samedan (um nur eine Auswahl zu nennen) wurden und werden durch Speschas Grafiken geprägt. 

Sein Credo in diesen ganzen Jahren: «Raum, Farbe, Typografie und Bild optimal und ohne unnötigen Ballast zu komponieren, ist mein Anliegen und Bestreben bei allen Arbeiten.» 

Freude und Herausforderung

Und es ist ihm auch gelungen, dieses Anliegen zu verwirklichen. Bücher oder andere Publikationen mit ihm zu machen, war jeweils Freude und Herausforderung zugleich. Fertig war das Produkt für ihn erst, wenn wirklich der letzte kleine Zeilen- oder Wortabstand, das letzte Umbruchproblem nicht nur gelöst, sondern elegant gelöst waren. Ihm war bewusst, dass seine Ansprüche im Zeitalter des Webdesigns und der Do-it-yourself-Grafik «alte Schule» sind und waren. Typografie war für ihn ein sinnliches Handwerk. Publikationen betrachtete er nie nur mit seinem präzisen Blick, sondern sie mussten auch haptischen Ansprüchen genügen. Material- und Papierwahl waren in diesem Prozess ebenso wichtig wie Farbe und Form. 

Als Ramun Spescha mit Dominik Kurmann im letzten Jahr einen jungen Mitarbeiter fand, sagte er erstaunt und erfreut: «Stell Dir vor, da interessiert sich noch einer für Typografie!»

Seit 2018 hat Ramun auch die Bücher unserer Edition Frida entworfen und gestaltet. Wir verlieren mit ihm aber nicht nur einen wichtigen kreativen Mitstreiter und -denker, sondern vor allem einen lieben Freund, dessen Geselligkeit, Humor und Festfreude uns so oft die zuweilen drückende Schwerkraft des Lebens vergessen liessen.

Ramun musste sich seit vergangenem September einer Krebsbehandlung unterziehen. Nun hat er den Kampf gegen die Krankheit viel zu früh und entgegen aller Hoffnung verloren. Seine letzten Worte an den hier Schreibenden waren: «Es hat Spass gemacht!»