Antù Romero Nunes ist Hausregisseur und Ko-Theaterleiter des Schauspiels am Theater Basel.

Antù Romero Nunes ist Hausregisseur und Ko-Theaterleiter des Schauspiels am Theater Basel.

Bild: Christian Knörr

Antù Romero Nunes im Porträt

«Ich habe eigentlich schon alles gemacht»

Mit seinen 39 Jahren habe er «eigentlich schon alles gemacht», sagt der Regisseur und Co-Leiter des Basler Schauspiels Antù Romero Nunes – ohne einen Anflug von Überdrüssigkeit. Denn am Theater Basel ist er gerade dabei, mit Shakespeares «Sommernachtstraum» einmal mehr das Theater neu zu erfinden.

Von Dominique Spirgi

Basel, 13.12.2022

8 min

Man kann sich fragen, wie er das alles unter einen Hut bekommt. Im Mai 2021 versetzte Antù Romero Nunes am Theater Basel Tschechows «Onkel Wanja» in die Schweizer Agglo-Welt, fünf Monate darauf stemmte er mit «Die Mühlen von Saint Paint» die Uraufführung einer Schauspieloper auf die Grosse Bühne in Basel, zwei Monate später hatte am Berliner Ensemble seine irrwitzige Inszenierung von Carlo Goldonis «Diener zweier Herren» Premiere, der er drei Monate darauf wiederum in Basel die Slapstick-Parade «Was geschah mit Daisy Duck?» folgen liess.

Ach ja: Zwischendurch inszenierte Antù Romero Nunes an der Bayerischen Staatsoper in München auch noch Mozarts Oper «Idomeneo».

Keine Masche ist die Masche

Und jetzt wiederum in Basel Shakespeares «Ein Sommernachtstraum», eines der meistinszenierten und -gespielten Meisterwerke der Dramenliteratur (Premiere am 17. Dezember). Entsprechend stark ist dieses Werk auch mit Erwartungen verknüpft und für Theater und ihre regieführenden Kräfte mit der Herausforderung verbunden, nicht das nachzubeten, was man bereits Hunderte Male sehen konnte.

Also ist es eigentlich das richtige Projekt für Nunes, dessen Masche es ist, dass er eben keine solche hat. Die herausragende Fähigkeit und das Erfolgsrezept des stark umworbenen jungen Regisseurs sind es, dass er für jeden Stoff, für jedes Stück, an das er sich macht, eine neue Ästhetik und eine neue Lösung findet.

So nun auch für den «Sommernachtstraum»?

Ovids «Metamorphosen» in der Inszenierung von Antù Romero Nunes am Theater Basel.

Ovids «Metamorphosen in der Inszenierung von Antù Romero Nunes am Theater Basel.

Bild: MauriceKorbel

Zu viel verraten möchte Nunes eine Woche vor Premiere nicht. Natürlich habe auch er dieses Stück in vielen Inszenierungen bereits gesehen. «Im Profitheater wurde ich aber nie richtig warm mit dem Stück, in Laientheater- oder Schultheateraufführungen habe ich es mehr gemocht», sagt er.

Der Grund: «Im Sommernachtstraum erhalten alle Formen der Fantasie ihren freien Lauf, alle Beteiligten spielen bewusst Theater, spielen auch mal einen Stein oder eine Mauer, das funktioniert bei Laien gut.» So gesehen ist für Nunes das rührend-komische Stück im Stück mit den Handwerksgesellen als überforderte Darsteller ein Schlüsselmoment.

Warum gehen die nie aufs Klo?

Laien- oder Schultheater stand auch am oder besser vor dem Beginn von Nunes’ Theaterkarriere. «Ich habe viel Theater gespielt während der Schulzeit», sagt er. Noch ein Stück weiter im Werdegang zurückgedreht, erinnert er sich daran, dass er beim Schauen einer «Knight Rider»-Folge am Fernsehen seine Mutter fragte, warum die auf dem Bildschirm denn nie aufs Klo gehen. Die Antwort der Mutter, dass die ein zweites Leben hätten, habe eine nicht mehr versiegende Faszination für eben dieses zweite Leben ausgeübt.

Ein zweites Kapitel zu Nunes’ Theater-Erweckungsgeschichte betrifft die Sprache: Als Sohn eines portugiesischen Vaters und einer chilenischen Mutter brauchte er einen besonderen Zugang zur deutschen Sprache. Also habe er am Gymnasium in Tübingen alles gelesen, was ihm unter die Finger gekommen sei. «Ich las begeistert Goethe, ohne ihn zu verstehen», sagt er. Goethe verstehen lernte er später als Absolvent der renommierten Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, die er 2009 mit dem Regie-Diplom abschloss.

Die Mehrsprachigkeit und damit verbunden das Herantasten an eine Sprache, die man erst zu verstehen lernen muss, prägt das Schaffen von Nunes bis heute mit. Wenn man eine Konstante in der facettenreichen Arbeit sucht, findet man sie in den überraschenden Spielereien mit der Sprache.

«Die Odyssee. Eine Irrfahrt nach Homer» von Antù Romero Nunes als Zweipersonen-Stück inszeniert, Thalia Theater Hamburg.

«Die Odyssee. Eine Irrfahrt nach Homer» von Antù Romero Nunes als Zweipersonen-Stück inszeniert, Thalia Theater Hamburg.

Bild: Ingo Hoehn

2018 sorgte eine dieser für das Hamburger Thalia Theater entstandenen Spielereien für eine Einladung ans Berliner Theatertreffen. In seinem hinreissenden Satyrspiel «Die Odyssee. Eine Irrfahrt nach Homer» liess er die beiden Protagonisten eine irgendwie skandinavisch angehauchte Kunstsprache brabbeln, die absurd, fremd und komisch wirkte, unter dem Strich aber Wort für Wort verständlich blieb.

Für seine aktuelle Inszenierung von Carlo Goldonis «Der Diener zweier Herren» am Berliner Ensemble erfand er für das rein weiblich besetzte Ensemble ein verballhorntes Italo-Western-Germano-Amerikanisch.

Und die in der russischen Provinz verlorene Gesellschaft in Tschechows Tragikomödie «Onkel Wanja» versetzte er in die Gegenwart eines von der Pandemie gebeutelten Festzelt-Vermietungsbetriebs in einer schweizerischen Agglomeration. Also liess er das Ensemble auf der Basler Schauspielhausbühne in den jeweiligen Schweizer Dialekten sprechen. Zusammen mit dem wunderbar aufspielenden Ensemble gelang Nunes das Kunststück, auf durch und durch überzeugende und letztlich auch berührende Weise inhaltlich sehr nahe bei Tschechow zu bleiben.

Bei «Onkel Wanja» konnte Nunes davon profitieren, dass viele der Basler Ensemblemitglieder Schweizer sind, die er dazu überreden konnte, aus Deutschland zurück in die Schweiz zu kommen. «Dennoch musste ich sie etwas überreden, den Tschechow in ihrer Muttersprache zu spielen», sagt er.

Vera Flück und Fabian Krüger in der Dialektfassung von Tschechows «Onkel Wanja».

Vera Flück und Fabian Krüger in der Dialektfassung von Tschechows «Onkel Wanja».

Bild: Judith Schlosser

Ebenso wenig Scheu wie vor sprachspielerischen Experimenten zeigt Nunes auch vor eigentlich unmöglich für die Bühne umsetzbaren Stoffen. Etwa vor Ovids monströsen «Metamorphosen», ein schier uferloses Sammelbecken antiker Mythen und Geschichten. Nunes hat zusammen mit dem Ensemble aus den rund 250 Einzelsagen eine betörende Götter- und Menschendämmerungs-Revue konstruiert.

Oder vor Herman Melvilles Roman «Moby Dick» – laut Nunes «der beste Text der Welt» –, den er in Hamburg ursprünglich als Achtpersonenstück auf die Bühne brachte und in Basel auf ein furioses Blut-, Schweiss- und Rotz-Solo für seinen Freund und Direktionskollegen, den Schauspieler Jörg Pohl, eindampfte.

Jörg Pohl spielt in der Fassung von Antù Romero Nunes Melvilles «Moby Dick» als Solo-Performance.

Jörg Pohl spielt in der Fassung von Antù Romero Nunes Melvilles «Moby Dick» als Solo-Performance.

Bild: Ingo Hoehn

Und jedes Mal überraschte Nunes das Publikum mit jeweils neuen Konzepten und Ideen. «Jeder Stoff braucht eine andere, eigene Form», sagt Nunes und beschreibt damit so etwas wie das Prinzip seiner Theaterarbeit. Das Theater müsse versuchen, die Welt immer wieder ganz neu zu denken, und zwar nicht über festgesetzte Bilder, sondern über die Schauspielerinnen und Schauspielern, die auf der Bühne stehen.

«Das hat zur Folge, dass man bei mir nie so richtig weiss, was dabei herauskommt», sagt Nunes. Und mit einem breiten, charmanten Lächeln fügt er hinzu, dass dies letztlich den Vorteil habe, dass man sich mehrere Sachen von ihm anschauen könne.

 

«Der Sommernachtstraum», William Shakespeare, Regie: Antù Romero Nunes. Premiere: Samstag, 17. Dezember 2022. Theater Basel.

15. und 16. Februar, Theater Chur.