Zentrum Paul Klee: Kuratorin Fabienne Eggelhöfer und Kunstvermittler Dominik Imhof vor dem Bild «Plan einer Garten-architektur» (1920). Es zeigt die Struktur einer Mauer. Wenn man das Bild auf den Kopf dreht, wird aus der Mauer ein Kopf.

Kuratorin Fabienne Eggelhöfer und Kunstvermittler Dominik Imhof vor dem Bild «Plan einer Garten-architektur» (1920). Es zeigt die Struktur einer Mauer. Wenn man das Bild auf den Kopf dreht, wird aus der Mauer ein Kopf.

Bild: Danielle Liniger

Kunst und Natur

«Paul Klee wäre ein Fan der Biodiversität gewesen»

Noch nie wurde die Umgebung rund ums Zentrum Paul Klee so stark in eine Ausstellung einbezogen. «Paul Klee. Alles wächst» verbindet künstlerische Werke und Gedanken zur Natur. Ein Besuch lohnt sich.

Von Marina Bolzli

Bern, 24.05.2023

7 min

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Im Schaugarten wächst Klee. Zum Beispiel Bockshornklee, Perserklee, Inkarnatklee. Der Klee nimmt Bezug auf ein leicht ironisches Werk von Klee. Es ist ein geklebtes Herbar aus verschiedenen Kleesorten von 1930, und Paul Klee (1879-1940) hat dazu notiert: «Was alles Klee heisst».

Zentrum Paul Klee: Ein Herbar aus lauter Klee-Sorten.

Ein Herbar aus lauter Klee-Sorten. Bild: Danielle Liniger

Diese Trouvaille ist nur eine von vielen in der neuen Ausstellung «Paul Klee. Alles wächst» im Zentrum Paul Klee (ZPK). Sie zeigt die Verbundenheit des Künstlers mit der Natur, ja, wie er die Natur eigentlich als Grundlage von allem betrachtete, sich von ihr inspirieren liess und vielleicht gerade deshalb gar nicht so abstrakt malte, wie oft angenommen wird. Als Jugendlicher und junger Erwachsener, auch das ist zu sehen, versuchte er in Zeichnungen und Gemälden sogar, die Natur zu kopieren.

Um Klees Naturbezüge nicht nur zu behaupten und zeigen, sondern sie für die Besucher:innen auch konkret zugänglich zu machen, sind zwölf Werke der Ausstellung mit Aussenposten verbunden. Das muss ganz im Sinne von ZPK-Architekt Renzo Piano sein, der sein Bauwerk sehr gezielt mit den 2.5 Hektaren Landwirtschaftsfläche darum herum in Beziehung setzt. Deshalb bewirtschaftet das Museum die Fläche gemeinsam mit der Agrarhochschule in Zollikofen und einem Pächter. Konsequent in eine Ausstellung eingebunden wird der Aussenraum jetzt allerdings zum ersten Mal.

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Ein Apfelbaum in guter Gesellschaft mit Pflanzen, die zu seinen Füssen wachsen und ihn unterstützen.

Bild: Danielle Liniger

Neben dem Klee-Feld ist da zum Beispiel ein Teich, auf dem sich Wellen betrachten lassen. Wellen dienten Paul Klee als Inspiration für das Werk «Spiel auf dem Wasser» (1935). In Beziehung zur Ausstellung steht auch ein Apfelbaum, unter dem nach den Prinzipien der Permakultur ganz verschiedene Pflanzen wachsen, die den Baum stärken und Schädlinge fernhalten sollen. «Baumgilde» nennt Kunstvermittler Dominik Imhof beim Rundgang diese Pflanzen.

Feine, intime Zeichnung

Verbunden sind sie mit einer Zeichnung von Paul Klee im Museum. Sie zeigt einen liegenden Menschen und einen Baum, der sich über ihn beugt. Es ist eine sehr feine, intime Zeichnung, die zum Denken anregt. «Zwiegespräch Baum-Mensch» nennt sich das Werk von 1939. Es ist zugleich die Lieblingszeichnung von Kuratorin Fabienne Eggelhöfer. «Sie wirft so schön die Frage auf: Wie gehen wir mit der Natur um?»

Zentrum Paul Klee: Zwiegespräch Baum-Mensch, 1939; Bleistift auf Papier auf Karton.

Zwiegespräch Baum-Mensch, 1939; Bleistift auf Papier auf Karton.

Bild: Zentrum Paul Klee, Bern, Schenkung Livia Klee.

Als Lehrer am Bauhaus in den 1920ern lehrte Paul Klee seine Schüler:innen: Auch abstrakte geometrische Formen müssen wie eine Pflanze entstehen. Ein Punkt ist das Samenkorn, das durch eine Linie zur Pflanze wächst und sich schliesslich zur Fläche und Form weiterentwickelt mit den Blättern und der Blüte. «Die Natur war eine Grundvoraussetzung für Klee», sagt Kuratorin Eggelhöfer. Er sei überzeugt gewesen, dass man Kunst schaffen müsse, wie die Natur kreiere.

Zentrum Paul Klee: Kuratorin Fabienne Eggelhöfer zeigt, wie Paul Klee seine Schüler*innen lehrte, von der Natur zu lernen.

Kuratorin Fabienne Eggelhöfer zeigt, wie Paul Klee seine Schüler*innen lehrte, von der Natur zu lernen.

Bild: Danielle Liniger

Die Ausstellung zeigt, wie Klee sein Leben lang Naturmaterialien gesammelt hat. Muscheln, Algen, Flechten, Steine. Eindrücklich, wie er Knochen und Muscheln als Palette zum Farbenmischen gebraucht hat. Ein Vogelnest samt Eiern in einer Zigarrenschachtel aufbewahrt hat, wie ein Kind seinen liebsten Schatz.

«Kann eine Erdbeere traurig sein?»

Aber auch Fragen aufgeworfen hat. So zum Beispiel mit dem Bild «Leidende Frucht» (1934), das eine grossflächige Frucht, vielleicht eine Birne, zeigt. «Kann eine Erdbeere traurig sein?» steht denn auch auf einem Banner. Von ihnen hängen mehrere von der Decke bis weit hinunter. Sie laden die Besucher:innen ein, über ihr eigenes Verhältnis zur Natur nachzudenken, die Werke, die Paul Klee geschaffen hat, als Ausgangspunkt zu nehmen, sich zu hintersinnen. «Was macht Schneeglöckchen glücklich?» oder «Wovon träumt ein Vergissmeinnicht?»

Zentrum Paul Klee: Von der Decke hängen mehrere Banner, die Fragen rund um Natur und Pflanzen aufwerfen.

Von der Decke hängen mehrere Banner, die Fragen rund um Natur und Pflanzen aufwerfen.

Bild: Danielle Liniger

«Paul Klee wäre sicher ein Fan der Biodiversität gewesen», sagt Kunstvermittler Dominik Imhof. Er steht nun vor dem Werk «Plan einer Garten-architektur» (1920), es zeigt die Struktur einer Mauer. Vielleicht eine Trockensteinmauer, wie es sie auch beim ZPK gibt, die Lebensraum für Kleintiere und Insekten bietet. Aber wenn man das Bild auf den Kopf dreht, wird aus der Mauer ein Kopf. «Auch hier zeigt sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, und wie der Mensch aus der Natur schöpft», ergänzt Kuratorin Eggelhöfer.

Zentrum Paul Klee: Die Bienenstöcke des ZPK befinden sich auf den Wellen des Gebäudes.

Die Bienenstöcke des ZPK befinden sich auf den Wellen des Gebäudes.

Bild: Danielle Liniger

Am Ende des Rundgangs, wenn man neben den Bildern auch noch die Bienenstöcke draussen, den Totholzstapel, die Trockenmauer gesehen, sich ein bisschen Zeit gelassen hat, stellt sich das Gefühl ein: Doch, nun kennt man Klee ein bisschen besser. Sich selbst und das eigene Verhältnis zur Natur auch. Viel mehr kann eine Ausstellung nicht leisten.


Zentrum Paul Klee: «Paul Klee. Alles wächst». Bis 20.10.2023

Grosser Eröffnungsanlass für Familien und Naturliebhaber:innen: Sa, 3.6., 14 Uhr.