Victorine Müller, Performance, Wald bei Göschenen. 16. Mai 2023. Kamera: Mathias Balzer
Die Künstlerin selbst formuliert es anders. Sie gehe zwar seit Jahren in die Yoga-Stunde, und würde eigentlich auch gerne einmal Mediation erlernen, aber irgendwie entgleite ihr das immer wieder im Alltag. Wenn sie bei ihren Performances eine festgelegte Zeit still stehe, sitze oder liege, dann versuche sie einfach, ganz präsent zu sein, wach, in stummer Kommunikation mit dem Publikum. «Oder vielmehr ist es so, dass sich dieser ‹meditative› Zustand jeweils einstellt. Übrigens auch, wenn ich hier oben nur für die Kamera agiere. Es passiert einfach.»
«Wir haben etwas gesucht, das Sinn macht.»
Mittlerweile haben wir den Wald verlassen und spazieren das Tal hinan. Weiter hinten würden wir auf den Stausee der Göschener Alp treffen. Aber so sportlich ist unser Tempo nicht. Ich frage Victorine, ob sie von ihrer Kunst leben könne. «Ich finde die Frage seltsam, weil sie niemandem sonst, nur Künstler:innen, gestellt wird, als ob wir wie offene Bücher über alles Auskunft zu geben hätten.»
Ich erkläre, dass ich glaube, die Lebensweise und ökonomischen Modelle von Künstler:innen seien für das Publikum interessant, gerade weil es Künstler ja schaffen, das zu tun, was ihnen entspricht und gefällt, auch wenn es ökonomisch unvernünftig ist.
Für sie, sagt Victorine, habe das Ökonomische nie an erster Stelle gestanden, aber das sei vielleicht auch eine Eigenart ihrer Generation. «Wir haben uns damals in den Neunzigerjahren als ich in Zürich die F&F besucht habe, schon auch überlegt, wie das Künstlerleben finanziell aussehen wird. Aber letztendlich wollten wir das leben, wofür wir brannten, haben etwas gesucht, das Sinn macht, und dies dann getan.»
Von den Eltern seien ihr auf diesem Weg nie Steine in den Weg gelegt worden. Im Gegenteil, sie seien ihrer Entscheidung, Künstlerin zu werden, immer mit Respekt begegnet. Der Vater, ein Archäologe und Biologe habe selbst auch gemalt, für sich. «Und natürlich haben wir auf Reisen Ausgrabungen und archäologische Sammlungen besucht.»
Ich muss daran denken, dass zu ihren aufblasbaren Objekten auch der Flügel eines Pegasus und eine archaische Göttin gehören. Aber da merken wir, dass wir schon recht weit ins Tal hinein gewandert sind, und es für ein richtiges Mittagessen in der Arbeiterkantine im Dorf zu spät ist. Aber was Victorine zum Apéritif mitgenommen hat, reicht bei weitem für ein satt machendes Essen zwischen Steinen und Gras.