Eine Parodie auf den Kunstmarkt
Das Werk liest sich wie eine Parodie auf den Kunstmarkt und seine Spekulationsmechanismen, das Künstlerdasein und politische Forderungen, etwa nach einem Grundeinkommen. Und es zeigt, was Künstler:innen in der Regel tun: Sie investieren erwirtschafteten Gewinn wiederum in ihre künstlerische Praxis, also neues Material, in der Hoffnung, irgendwann das grosse Los auf dem Markt zu ziehen. «Oder zumindest Wege zu finden, um ihr tägliches Leben auf menschenwürdige Weise zu bestreiten», sagt Stefan.
Das Glück – oder besser eine Jury – will es, dass «Win-Win For Life» von der Stadt Zürich angekauft wird, für 15’000 Franken. «Die haben Humor», meint Nathalie. Den haben die beiden Künstler auch. Sie investieren – wie es im Fall eines Verkaufs vorgesehen war – wiederum 10’000 Franken in Lose.
«Die Person am Kiosk hat schon ein wenig gestaunt», meint Nathalie. Sie zeigen mir die Schachtel mit den 2000 Losen. Aus diesen wiederum werden sie einen noch grösseren «Looooooooosers»-Schriftzug kreieren, den sie an der Art Basel 2023 zeigen werden. Das Duo ist dort für den renommierten Kiefer «Hablitzel I Göhner Kunstpreis» nominiert.
«Vielleicht wird das Werk ja irgendwann so gross, dass es an die Art Unlimited, Ort für Grossinstallationen, passt», scherzen beide. «Aber was wir uns wirklich wünschen, ist, dass die Künstler nicht auf einen Lottogewinn angewiesen sind, um ein ausreichendes Einkommen zu erzielen«, erklärt Nathalie. «Damit meinen wir die Lotterie bei Stipendien oder Preisen, aber auch die Lotterie beim Verkauf eines Werks – oder eben die buchstäbliche Lotterie.»
«Wir profitieren jetzt noch vom Jugend-Bonus»
Die beiden sind nicht bloss Künstler mit Humor, sondern auch wunderbare Gastgeber, die ersten in unserer Reihe, die selbst kochen, ein serbisches Essen: Punjena Paprika (gefüllte Paprika), ein Salat mit Gurken, dazu Sauerkraut, ein Kartoffelauflauf mit Lauch, Avocado und mit scharfem Öl überbacken, dazu eine Flasche Weisswein aus Neuchâtel.
Ein Wohnatelier, ein Ankauf und ein Kunststipendium der Stadt Zürich, Atelieraufenthalte in Belgrad und Shanghai, Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, ein Reisestipendium der Landis & Gyr Stiftung, nominiert für den Kiefer-Hablitzel-Preis und zwei Tage nach meinem Besuch die Abreise für einen zweimonatigen Atelieraufenthalt mit Gruppenausstellungen in Taiwan: Dem Duo läuft es gut – zumindest von aussen gesehen.
In Wirklichkeit leben sie sehr sparsam. Sie verdienen mit Kunsthandwerkerarbeiten, mit Workshops und anderen kunstbezogenen Gelegenheitsjobs gelegentlich etwas dazu. Und: Stipendien und Ateliers bekommt niemand umsonst. Dafür braucht es aufwändige Büro- und Konzeptarbeit, deren Wirksamkeit aber immer ungewiss ist. Zudem hat dieses System eine gewisse Halbwertszeit. Nathalie ist 33, Stefan 30 Jahre alt. «Wir profitieren jetzt noch vom Jugend-Bonus. Aber bald einmal ist das vorbei», betonen sie.