Volksmusik
Im Rhythmus von Alp und Autobahn
Unser Volksmusik-Experte über das neue Album der Kapelle Viertaktmotor – und wie sie den Zweier-, Dreier- und Gegentakt tänzerisch vermischt und virtuos über die Autobahn und dem Hang entlang knattert.
Fläsch, 16.05.2023
Ansaugen, Verdichten, Arbeiten und Ausstossen. Dabei macht die Kurbelwelle zwei Umdrehungen – so funktioniert der Viertaktmotor. Er ist die Essenz unserer Lebensform. Voran, voran mit Benzin im Tank. Ob der Aebi-Traktor auf der Alp oder der alte Porsche auf der Autobahn, beide fahren im Viertakt-Rhythmus. Endlos.
Aber auch Musikanten können Töne ansaugen, sie verdichten, mit ihnen arbeiten auf weiten Ausflügen in die Klangwelt und sie schliesslich ausstossen zu zauberhafter und vielseitiger Musik. Nayan Stalder, Laurin Moor, Kaspar Eggimann und Raphael Heggendorn heissen die Traktor- und Porschefahrer.
Sie schöpfen mit ihrer Kapelle «Viertaktmotor» auf ihrer CD «Sibesiech» aus dem Groove des strengen Vierrhythmus, wechseln in den schnellen Zweier-, vermischen ihn mit dem Dreiertakt, wagen den Gegentakt und gar die taktlose Passage; sie scheuen Synkopen nicht, sie brausen über die Autobahn und knattern dem Hang entlang. Der gemeinsame Nenner ihrer Musik wird vom Hackbrett vorgespurt – Volksmusik aus dem Alpenraum, aus Appenzell, Musik aus den Weiten von Osteuropa, Anlehnungen in aller Welt.
Und was das Hackbrett vorgibt, untersetzt der Kontrabass, führt das Cello weiter und packt das Akkordeon ein. Die zehn Stückli spannen ein breites Panorama zwischen Bekanntvertrautem und Nichtgehörtem auf. Die Titel versprechen, was zu hören ist als «Züri Bukarest» oder als «Musette». Virtuos wechseln die Musiker Traditionen und Genres. Und virtuos sind die Stimmungen – die Melancholie des Betrufs, der ewig tröstende Walzer, und flott der Galopp.
Tänzelnd ist diese Musik, wenn auch schwer zu tanzen. Und ist der Tänzer endlich im Takt, dann stottert der Motor, er hinkt weiter und hebt ab in ein komplexes Tongewitter. Freilich wie oft in der zeitgenössischen Volksmusik und als wohl grösster Unterschied zur Tradition – auch diese vier Musiker schöpfen aus exzellenten Ausbildungen.
Sie begannen als Kinder und hörten an der Hochschule auf, der Hackbrett-Spieler Nayan Stalder an der eigens für Volksmusik aufgebauten Abteilung an der Musikhochschule von Luzern. Und, schön für den Klang – auch wenn rufendes und johlendes Publikum fehlt, haben die Vier die CD nicht im Studio aufgenommen, sondern im Live-Groove des Säli im Restaurants «Heiter Fahne» in Wabern bei Bern.
Viertaktmotor: «Siebesiech», erschienen bei: Narrenschiff-label.ch. Hier bestellbar.