Musik
Andryy setzt mit Mundart neue Massstäbe
Shannon Hughes im Gespräch mit Andryy über moderne Mundartmusik, seine dritte EP «Geisterfahrer» und die Faszination für Songtexte auf Schweizerdeutsch.
Winterthur, 06.04.2023
Mundartmusik hat in der Schweiz Tradition. Wer bei Patent Ochsners «W. Nuss vo Bümpliz», Sinas «Där Sohn vom Pfarrär» Polo Hofers «Alperose» nicht mitgrölt, hat doch einen Teil der helvetischen Kultur verpasst. In einem Land, in dem in der Standardsprache geschrieben, gesprochen und gelehrt wird, bekommt die Nahbarkeit der Volkssprache in der Musik eine besondere Bedeutung. Ein Update des Mundartgenres kommt poppig daher und heisst Andryy.
Die Texte sind nicht nebensächlich
Andrì Jucken (er/ihn) alias Andryy studierte Popmusik und dann zusätzlich noch IT, da er sich nach dem ersten Studium nicht ganz sicher war, ob er tatsächlich alles auf die Musik setzen möchte. Die Leidenschaft setzte sich dann aber doch durch und Andryy begann selbst Lieder zu schreiben – zuerst mit englischen Lyrics, bis er seine Liebe zu Texte in seiner Muttersprache entdeckte.
Bei den Mundarttexten stehen die Wortbilder für den Musiker im Vordergrund, «Wenn man in einer Fremdsprache singt, ist der Text oft nebensächlich».
Sein Debüt kam 2020 mit «Das isch mini erschti EP, merci fürs Lose» . Seine zweite EP «Gheimnis» (2021), besonders die Single «Julia», haben nicht nur die Schweizer Radios, sondern auch die Mundartliebhaber:innen begeistert. Am 31. März 2023 wurde die dritte Andryy EP «Geisterfahrer» über Universal Music veröffentlicht. Alle Songs wurden von Andryy geschrieben und komponiert, aufgenommen wurden sie in seiner Heimatstadt und produziert von seinem Freund BNJI. Zeitgemässe Schweizer Popmusik setzte sich Andryy zum Ziel, was ihm bereits zum dritten Mal gelungen ist.
Mit «Geisterfahrer» legt Andryy eine EP hin, die auf seinen bisherigen Releases aufbaut. Dennoch geht der Musiker musikalisch und textlich etwas mehr in die Tiefe als zuvor. So lauten die Lyrics in seinem Song «Säg mer» wie folgt: «Mir läbet mitem Chopf im Sand und plötzlich isches zspat/Also säg mer, säg mer uf was warti na?» . In der nächsten Strophe dreht sich der Spiess um: «Ich hett ja s’Privileg zum öppis undernäh/Doch gspühr no z’wenig Drang/Ich warte uf es Zeiche/Debii han ich’s doch scho lang». Was sich zunächst wie ein eingängiges Liebeslied anhört und liest, entpuppt sich als Klimakritik. Die Klimakrise wird dringlich gemacht und die eigene Handlungsmacht darin kritisch reflektiert.
FRIDA Hört Hin
«FRIDA Hört Hin» ist dein Ohr für aktuelle Schweizer Musik. Die Szene ist dynamisch, divers und darf ruhig etwas lauter gehört werden. In der Audiobeitragsreihe porträtiert Shannon Hughes Musikschaffende und ihre Songs aus allen Genres. Von altbekannten Grössen bis hin zu aufstrebenden Neuentdeckungen, bei FRIDA sind alle zu hören.
Alle Episoden von «FRIDA Hört Hin» findest Du auch auf Spotify, Deezer, Apple Podcast und Podimo.
Bild: John Patrick Walder/ Luis Balzer
Andryy glänzt besonders im Songwriting: mit zugänglicher Wortkunst schafft er es, eine Fülle an Themen aufzugreifen. Kindheitserinnerungen, das Gefühl, gegen den Strom zu schwimmen oder sich selbst zu verlieren, haben die Platte geprägt. Musikalisch ist er sehr im gegenwärtigen Pop unterwegs, Beats und Gitarre stehen im Mittelpunkt seines Sounds. Die Musik ist eingängig und einfach zu hören, dennoch fallen dabei kleine Feinheiten oder Harmonien auf, die herausstechen.
Vielleicht findet Andryy irgendwann einen Weg, direkter über persönliche oder gesellschaftliche Krisen zu schreiben, statt sie in Liebeslied-Gewänder zu verpacken. Wünschenswert wäre es, denn die Kunst, komplexe Thematiken in singbarer Mundartsprache zu verarbeiten, liegt dem Künstler am besten.
Für Swiss Music Award nominiert
Für den Musiker fängt der Frühling richtig gut an: Andryy wurde von SRF 3 Best Talent für einen Swiss Music Award nominiert. Mit Valentino Vivace aus dem Tessin, der zurzeit mit Italo-Pop durchstartet und der Bielerin Dana, deren sanfte Stimme die Schweizer Musikwelt zum Staunen bringt, tritt Andryy um das Fördergeld von 10’000 Franken an. Am 17. Mai 2023 wird die SMA Verleihung in der Bosshard Arena in Zug stattfinden und auf dem Sender 3+ ausgestrahlt. Ab dem 13. April wird das Voting für alle Nominierten geöffnet.
Andryy wird 2023 noch an einigen Orten live zu sehen sein. Seine EP-Release Taufe findet am 14. April im Mascotte Club in Zürich statt. Die Festivals wird er auch bespielen dürfen: Am 24. Juni am Quellrock Openair in Bad Ragaz, am 16. Juli am Gurten Festival, am 22. Juli Openair Lumnezia und schliesslich am 26. August an den Summerdays Arbon. Zu seinen Mundartsongs wird also noch reichlich mitgesungen.
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