Asbest feiern mit Lord Kesseli and the Drums im Gespräch mit Shannon Hughes bei FRIDA Hört Hin.

Ihre Portraits haben Asbest und Lord Kesseli and the Drums gleich selbst gemacht.

Musik

Asbest feiern mit Lord Kesseli and the Drums Weltuntergang

Cineastisch, dystopisch und ergreifend klingt die EP «Altari», die die Bands Asbest und Lord Kesseli and the Drums im Sommer 2023 herausgegeben haben. Bei «FRIDA Hört Hin» geben die Musiker:innen einen Einblick in ihr gemeinsames Schaffen und erklären, warum die Abgründe des Weltgeschehens sie musikalisch faszinieren.

Von Shannon Hughes

Basel und St. Gallen, 24.08.2023

6 min

 

«Irgendwie macht traurige Musik glücklich und glückliche Musik wütend», sagt Michael Gallusser, als wir mit Dominik Kesseli im QFLM Recording Studio in St. Gallen sitzen. Es geht darum, wieso der dystopische Sound von Asbest und Lord Kesseli and the Drums für unsere Zeit der Richtige ist. Vor mir steht Zitronenwasser, neben mir eine Wand voller Gitarren und um mich spüre ich die 15 Jahre Musikgeschichte dieses Ortes. Draussen brennt die Sonne so stark auf den Asphalt, dass es schwer ist, klare Gedanken zu fassen. Aber der Satz von Michael Gallusser ist mir geblieben. 

Lord Kesseli and the Drums, das Projekt der St. Galler Urgesteine Dominik Kesseli (er/ihn) und Michael Gallusser (er/ihn), machen Musik, die zum Träumen und Nachdenken anregt. Musikalisch sind sie komplex, dunkel und mystisch unterwegs.

FRIDA Hört Hin Audiobeiträge mit Shannon Hughes

FRIDA Hört Hin

«FRIDA Hört Hin ist dein Ohr für aktuelle Schweizer Musik. Die Szene ist dynamisch, divers und darf ruhig etwas lauter gehört werden. Im Podcast porträtiert Shannon Hughes Musikschaffende und ihre Songs aus allen Genres. Von altbekannten Grössen bis hin zu aufstrebenden Neuentdeckungen, bei FRIDA sind alle zu hören.

Alle Episoden von «FRIDA Hört Hin» findest Du auch auf SpotifyDeezerApple Podcast und Podimo.

Bild: John Patrick Walder/ Luis Balzer

Passend zur hochgelegenen Stadt in der Ostschweiz, deren Gründung auf der Legende des irischen Mönch St. Gallus zurückgeht. In der Grenzstadt Basel prägen Judith und Robyn Breitinger (beide sie/ihr) seit 2016 mit ihrer Noise Rock Band Asbest die alternativen Rockszene über das Rheinknie hinaus. Politisch, laut und düster – und mit Schlagzeuger Jonas Häne (er/ihn) und dem neuen Album Cyanide auf Tour. Wie sind diese Welten denn zusammengekommen? 

Im Frühling 2021 wurden die vier Musiker:innen zur Residenz im St.Galler Konzertlokal Palace eingeladen. Als das sonstige Kulturschaffen noch stark von der Pandemie beeinträchtigt war, veranstaltete das Palace eine kuratierte Residenz-Reihe, in der Künstler:innen jeweils gepaart wurden. Sie durften eine Woche lang zusammen im ehemaligen Kino Musik machen. 

Im Palace musizierten Asbest und Lord Kesseli and the Drums zusammen und setzten sich das Ziel, täglich ein Lied zu machen. Komponieren, Texten, Aufnehmen – alles an einem Ort. Rückblickend sagt Robyn Breitinger, dass sie damals eine Gemeinsamkeit der Bands erkannte.

Hinter dem Lärm stecke bei beiden eine Mystik, auf der sie sich musikalisch begegnet sind. 

Aus der Woche in St.Gallen sind fünf Tracks von Asbest und Lord Kesseli and the Drums entstanden, die 2023 in die Musikwelt gesetzt wurden. Im April kam die post-punkige Single «Together in Hell», im Sommer die gemeinsame EP Altari mit vier Liedern.

 

Sowohl die Single als auch die EP Altari weisen eine enorme Spannbreite an emotionalen Welten auf. Noch unglaublicher wird es im Wissen, dass sie in nur fünf Tage entstanden sind. Altari klingt in vier Songs industriell, wütend, flehend und atmosphärisch zugleich. Die Aufnahmen hören sich schwer und körnig an, die Verzweiflung wird richtig fassbar. 

Fernab vom Alltag

Eine Quelle dieser kreativen Feuershow war sicherlich der Ausstieg aus dem Alltag, der das Palace ermöglichte. Ausserhalb des Gewohnten und in neuer Formation haben die Künstler:innen neue Klanglandschaften erklommen. Alle Mitglieder haben sich an verschiedenen Instrumenten geübt, ein Konzept für die Platte gab es nicht. Das Prinzip ‘einfach-mal-drauf-los-spielen’ eröffnete die Verbindung von Mystik und Weltschmerz, die auf der EP zu hören ist. 

Robyn Breitinger hat die Mehrheit der Texte auf Französisch, Deutsch und Englisch wie im Wahn auf Papier niedergeschrieben.

«So schnell habe ich noch nie Texte geschrieben», sagt die Musikerin.

Mit Altari beweisen Asbest und Lord Kesseli and the Drums ein beachtliches musikalisches Können und die Offenheit, eine Fülle an Zeitgeschehen düster zu verarbeiten. Die unsichere Lage der Pandemiejahre schwingt in jedem Akkord mit und dennoch fühlt sich Altari 2023 befreiend aktuell an. 

Als ich die Künstler:innen gebeten habe, mir  ihre EP  in einem Wort zu beschreiben, kamen folgende Begriffe auf: Existentialismus, Gross, Weltuntergang, Eintauchen. Für mich wäre das passende Wort Spannung. Gerade der letzte Track der EP, «Levitate into the Ground», ist voll damit.

 

Übrigens: Nebst Asbest und Lord Kesseli and the Drums sind noch weitere Musikschaffende im Palace St.Gallen in Residenzen zusammengekommen. Darunter sind Perlen aus der Schweizer Musikszene wie Martina Berther, mischgewebe und Augenwasser. Daraus ist im Herbst 2022 die Platte Palace Still / Not Still  entstanden, die via Bandcamp hörbar und bestellbar ist.

Konzert Lord Kesseli and the Drums (Support Leander Albin): 18. November, 10 Uhr, Calunaweg 1, Chur. Eintritt frei, Kollekte und Bar.