Dòra Kapusta lacht und zeigt auf den Bildschirm. Wir sitzen in ihrer Bürogemeinschaft oberhalb des Lettens in Zürich. «Ich finde die einfach super!» Sie schaut ein Video von «Petrolio», einer Produktion, die aus Argentinien ans Zürcher Theater Spektakel kommt. «Für mich sind das bisher die Favoriten der diesjährigen Ausgabe.»
Kapusta kennt «Petrolio» bereits in und auswendig. Sie macht für das Festival die Übertitelung des Stücks. So, wie sie es bereits seit 30 Jahren macht. Die 51-Jährige ist seit Anfang der Neunzigerjahre – mit Unterbrüchen – für das Spektakel tätig. Kaum jemand stand so oft wie sie mit einem Badge für Mitarbeiter:innen auf der Landiwiese. Was sie kann, können nur wenige: Stücke aus vier Sprachen auf Deutsch übersetzen und sie in eine Form bringen, die das Schauen von fremdsprachigen Produktionen trotz Sprachbarriere zu einem angenehmen Ereignis macht.
«Übertitlerin» ist ein sperriges Wort als Berufsbezeichnung; sperrig auch, weil nicht geläufig: Dieser Beruf ist auf der Ausbildungslandkarte inexistent, obwohl das Theater immer internationaler wird.
Wie aber erarbeitet man sich einen Beruf, den es scheinbar gar nicht gibt?
Am Anfang waren die Sprachen
Dòra Kapusta kam 1969 in Altstätten, Kanton St. Gallen, zur Welt. Die Eltern sprachen mit ihr ungarisch. Einige Monate zuvor waren die schwangere Mutter und ihr Mann aus den Ferien in Titos Yugoslawien nicht nach Hause in den Süden der Tschechoslowakei zurückgekehrt – wo man eben ungarisch spricht. In Prag hatten die Panzer der UDSSR den Frühling der politischen Hoffnung plattgewalzt. Das junge Paar war auf der Flucht, und reiste über Wien und Buchs in die Schweiz ein. Dieselbe Route, die heute noch für Schlagzeilen rund um Flüchtende aus dem Osten sorgt.
Ein Leben in Altstetten, das hätten sich das Lehrerpaar nicht vorstellen können, erzählt Kapusta. Sie entschieden sich für Biel, die damals aufstrebende Uhrenstadt, in der zwei Sprachen gesprochen werden. «Bis sechs habe ich nur ungarisch und französisch gesprochen», erzählt Kapusta, «dann zogen wir in ein deutschsprachiges Quartier und ich vergass Vieles vom Französischen wieder, dafür wurde meine so genannte Erstsprache Deutsch. Das Französisch kam dann in der Schule wieder hervor und das Englische hinzu.»
Ungarisch blieb die exotische Sprache, die sie mangels anderer Verwandtschaft nur mit ihren Eltern sprach. Mit 18 habe sie sich an der Uni in Budapest eingeschrieben, aus Neugierde an der Herkunft, der Herkunftssprache. Sie wisse gar nicht mehr, wie sie sich dort angemeldet habe, damals, ohne Internet und noch vor dem Mauerfall.
Vor der Reise in die unbekannte Heimat lernte sie bei einem Sprachaufenthalt in Granada Spanisch.
Die hier im Zeitraffer erzählte Sprachbiografie mündete 1990 letztendlich in einem Studium an der Übersetzer- und Dolmetscherschule DOZ in Zürich. Dòra Kapusta spricht und schreibt fünf Sprachen – «und etwas Italienisch», wie sie sagt.
Die ersten Gehversuche
Zürich 1990, das war die Zeit der Nachwehen von Punk, «Bewegig» und Yuppietum, Platzspitz, Aids und Paradeplatz, begleitet von ersten wummernden Bässen in leerstehenden Industriehallen und besetzten Häusern – und Theater aus der ganzen Welt.